2004-05-31

Schottland - Hunters, Modern Art und Abschied

Hallo, lieber Leser am Schirm!
Schön, dass Du auch den letzten Teil meines Reiseberichts hören möchtest! Was bleibt denn noch? Ein erdgeschichtlicher Donnerstag, ein Freitag voller moderner Kunst und ein so herrlich sonniger Samstag – mein Abflugtag... Aber keine Angst, unser Flieger geht erst am Nachmittag, so dass noch genug Zeit für ein Sonnenbad in Maxwell Park bleibt! Ja, und natürlich müssen wir noch in Pollokshields zu dem indischen Händler, damit unser Gewürzvorrat komplett wird ; ) ...
Ich wäre an dem Donnerstag ganz bestimmt nicht im Hunterian Museum gelandet, wenn ich es nicht in der Woche davor bei meiner Suche nach der Hunterian Art Gallery fast irrtümlicherweise betreten hätte. Erinnert Ihr Euch? Ja, richtig, der Geburtshilfepionier und seine Whistler-Frauen, die Toshie-Stühle, der Rembrandt und die Glasgow Boys... Und wenn ihr den vorherigen Post gelesen habt, dann wisst Ihr sicher auch, dass mich die aufgepiksten Flattertierchen und die eingelegten Sonderbarkeiten sowie die Mineralien in den McLennan Galleries sehr fasziniert haben...
Aber keine Bange, heute will ich Euch nicht schon wieder den Appetit verderben, heute ist alles schön versteinert oder es sind nur die guten alten Knochen übrig... und wenn Ihr heute Nacht von Jurassic Park träumt, wisst Ihr, wem Ihr es zu verdanken habt : ) ! Nach einem Besuch bei meinem Imbisswagen und einem Spaziergang mit Futterpause durch Kelvingrove Park gelangte ich zum Gelände der Universität. Was uns hier fehlt, ist so ein schöner markanter Aussichts- und Glockenturm. Eigentlich schade, dass ich die Uni nicht besichtigt habe, aber als ich rein bin, hingen überall Zettel von wegen Prüfungen und nicht stören, so dass ich mich auf Zehenspitzen da durchgeschlichen habe, bis ich schließlich die heiligen Hallen des Museums betrat... Wieder nur ein Mensch am Empfang, der einen weiterwinkt... Und schon war ich mitten drin – in einem großen kirchenartigen Raum mit Holzempore. Einfach toll, so eine Uni mit Geschichte!
Los ging es bei ein paar Bildern vom blauen Planeten und ein paar Erklärungstafeln. Danach kamen Vitrinen mit Gestein, Gestein, Gestein. Ich bin ja geologisch gesehen ein ziemlicher Laie, also habe ich natürlich nach den schönen Steinchen geguckt und dann versucht, über die Nummer die Erklärung zu finden, aber das ist ungefähr so, wie wenn man ein Pflanzenbestimmungsbuch liest, dass einem nur die lateinischen Namen angibt. Ein bisschen allgemein verständlichere Erläuterungen fehlten mir da. Trotzdem fand ich es toll, denn ich liebe Mineralien und wenn es dann auch noch glitzert, bin ich selig... Diamanten gab es auch!
Danach konnte ich meine schulischen Erkundekenntnisse wiederbeleben: Die erdgeschichtlichen Zeitalter und ihre Pflanzen und Tierchen. Und dazu war das die allerbeste Ausstellung, die ich jemals gesehen habe. Wenn Euch das interessiert – unbedingt reingehen, wenn ihr dort seid! Es gab herrliche Versteinerungen und je weiter die Erdgeschichte fortschreitet, desto komplexer und interessanter wird ja auch das Leben auf der Erde: Man denkt ja da immer an so schneckenförmige Ammoniten, aber glaubt mir, da war mehr!!!
Ich habe in den Vitrinen, die im Raum standen und um die man also herrlich herumgehen konnte, Krebschen und skorpionartige Versteinerungen gesehen und zum Teil echt in einer Qualität, dass man ins Schwärmen kommt. Auch kleine Fischchen und so...
Ja, mit fortschreitender Zeit kommen dann auch erste Saurier. Natürlich hatten sie einige schöne Stücke aus Holzmaden (für alle, die nix davon verstehen, dass ist ein Ort in Baden-Würtemberg, wo man viele herrliche komplette Saurierversteinerungen gefunden hat), aber habt ihr schon mal Saurierfußabdrücke gesehen? Es gab gleich ein paar solcher Laufspuren! Natürlich gab es auch versteinerte Eier und was ich auch toll fand, einen Schnitt durch einen Baumstamm, der wie ein Mineral aussah und in vielen verschiedenen Farbtönen leuchtete. Da war ich ziemlich geplättet...
Na, dann kamen die Skelette mit der Bebilderung der Bastelvorgänge daran. Nett! Anschließend menschelte es und es wurde versucht, unsere Entwicklung zu rekonstruierten. Lucy und so... Das war okay, aber ich fand es nicht ganz so beeindruckend – vielleicht wusste ich zu viel drüber. Danach wurde es ethnographisch und es kamen verschiedene Kulturen und einige ihrer Gegenstände, also Eskimos und Naturvölker, aber dann auch Hochkulturen, wobei es sich da sehr auf Ägypter und Römer beschränkte. Das war ein bisschen schade... aber das ist das, was die Briten eben haben. Nach einem Studium der Inschriften vom Antoninuswall (danke, Herr Prof. Wolff, für ihre Hartnäckigkeit – brauchte nur selten in der Erläuterung zu spicken!) und einer Betrachtung der ägyptischen Gottheiten (wo ich, dank der Vorkenntnisse aus der Burrell Collection einige Aha-Erlebnisse hatte!) war ich also fertig. Gut zwei Stunden, aber das ist die ideale Zeit, die ich in einer Ausstellung zu verbringen gedenke...
Wusstet ihr, dass die Ägypter die einzelnen Organe aus ihren Toten entnahmen, bevor sie sie in Mumien verwandelten und dass die diese in bestimmte Behältnisse legten, die quasi als Deckel den Kopf einer bestimmten Gottheit trugen, damit diese über sie wachte? Alles hatte seine Ordnung und sein Plätzchen. Diese sogenannten Kanopen sind echt sehenswert...
So, den Rest des Tages verbrachte ich – glaube ich – mit einer Tour zum Secret Garden. Nagelt mich nicht fest, denn irgendwie weiß ich nicht mehr sicher, an welchem Tag ich da war. Wenn man in Hillhead in die Subway steigt, kann man auf der Southside in Bridge Street wieder ans Tageslicht kommen. Das ist nahe der berühmt-berüchtigten Gorbals, einem ehemaligen Arbeiterslum, der aber zum Glück seine wildesten Zeiten hinter sich hat! Wenn man dann in irgendeinen Bus stadtauswärts steigt, gelangt man nach einer Weile (vorbei an diversem Gewerbegebiet – Werkstätten und so – etwas trist) an den Beginn von Pollokshields und dort ist The Tramway. Das ist heute ein Theater, aber früher war es ein Straßenbahndepot... ja, es tut sich was in Glasgows Kulturszene!
Hinter der Halle des Theaters ist seit etwas über einem Jahr ein angelegter Garten, der fleißig wächst und gedeiht. Das Konzept ist sehr ansprechend, mit etwas verschlungenen Wegen, Wasserbecken, halbhohen Beeten mit Lavendel so weit das Auge reicht, Birkenwäldchen und es gibt Extras wie einen Holzpavillion auf einem Hügelchen, wo ein Xylophon aus verschieden Hölzern und ähnliches installiert sind. Wie gesagt, der Garten ist noch im Aufbau, aber ich glaube, dass das in einigen Jahren ein echtes Paradies sein wird!
Nach einer Stunde in der Natur bin ich über die S-Bahn-Brücke mitten in das kleine Zentrum von Pollokshields. Ich meine, ich weiß ja, dass in GB viel indischstämmige Bevölkerung ansässig ist, aber da hat mich dann schon ein bisschen der Schlag getroffen... denn da waren irgendwie keine Briten mehr - echt ein Ghetto... indische Lebensmittelhändler, indischer Videoverleih, indische Stoffe, indischer Hochzeitsservice, indische Süßwarenläden... und haufenweise Damen in Saris unterwegs...
Aber so bin ich dann zu meiner Erstausstattung an Gewürzen gekommen. Bin ja gewohnt, dass Briten sich für alles entschuldigen, nur war das der erste Laden, wo man sich dafür entschuldigt hat, dass die Lieferung noch nicht ausgepackt war, und mir half, hinter der Kartons die richtigen Sachen aus dem Regal zu angeln... Sollte man in Niederbayern mal einführen ; )
Ja, der Freitag war ein chaotischer Tag voller letzter Besorgungen und eigentlich war ich mir nicht sicher, ob ich überhaupt noch was besichtigen sollte, denn ich hatte ja einiges gesehen... aber weil die Gallery of Modern Art ebenfalls kostenlos ist, beschloss ich, dass ich doch zumindest mal reinschauen sollte. Die verbleibenden Toshie-Museen hatten nämlich gesalzene Eintrittspreise und ich hatte ja vieles durch die Bildschirmchen in The Lighthouse schon virtuell erkundet...
Der Royal Exchange Square liegt schon in der Merchant City, dem neueren Weggehviertel, und natürlich hat die gute Statue des Duke of Wellington, der dort auf seinem Lieblingspferd namens Copenhagen trohnt, da auch ein bisschen drunter zu leiden: Es scheint ein Glasgower Volkssport zu sein, dem guten Mann so ein gestreiftes Absperrungshütchen auf den Kopf zu setzen. Und der Schädel ist verdammt hoch – ohne Seil geht da nix!!!
Na, gut behütet wachte er jedenfalls über die modernen Kunstschätze, die ich erkunden wollte. Tja, was kann ich Euch erzählen? Es waren interessante Werke dabei, aber da ich nichts von moderner Kunst verstehen, erkannte ich nur die Dosensuppe von Andy Warhol... Der Rest gefiel mir zum Teil, zum Teil fand ich ihn affenscheußlich oder einfach nur abstoßend, aber das ist ja immer so eine Geschmackssache. Es waren auch Werke dabei, bei denen Photographie mit im Spiel war und die gefielen mir recht gut. Natürlich landete ich am Ende im Andenkenladen, in dem ich mich nur schwer entscheiden konnte...
So also war das mit der Moderne ; ) ...
Mein Samstag war gekommen und das Wetter war toll – nur ich musste am Nachmittag zurückfliegen. Da tat es mir schon besonders leid, denn das hätte ich gerne noch mehr genossen. Nach einem großen Frühstück mit Heather – Howard ging bald ins Büro – spazierte ich nochmal durch die Villenstraßen nach Maxwell Park, drehte eine Runde um den Ententeich (ein sehr netter Ententeich mit viel Schilf übrigens!) und suchte mir dann eine sehr sonnige Bank mitten in einer großen Wiese... Rund herum spielte ein Papa mit seinem Sohn Fußball, ein paar Kinder fuhren mit Scootern und ältere Paare sahen den Enten beim Schwimmen zu. Idyllisch eben.
Mein abschließender Weg führte mich nochmal nach „Kleinindien“, wo ich meine letzten Münzen in mir noch fehlende Gewürze und in Haferkekse für meine Familie umsetzte. Zuhause gab es dann noch ein schönes dickes Sandwich, bevor Heather mich zum Flughafen fuhr... natürlich nicht ohne dass ich fast auf der falschen Seite eingestiegen wäre (nach zwei Wochen Bus und Bahn zu entschuldigen ; ) und dass wir in einen Stau wegen eines Rangers-Fußballspiels gerieten...
Ja, so also war das. Leute, ich glaube, ich brauche ganz schnell ein Taschentuch... Was poste ich Euch denn beim nächsten Mal? Ich sehe schon, ich muss bald wieder verreisen : )
Es grüßt Euch alle
Eure Sigrun


2004-05-29

Schottland - Provand's Lordship, McLennan und so

So, hallo meine Lieben!
Jetzt kommt der Beginn der zweiten Schottlandwoche und schon geht es durcheinander wie Kraut und Rüben... Meine Aufzeichnungen haben da nämlich ein paar Schwächen, aber das älteste Haus Glasgows und die McLennan Art Galleries wollte ich Euch trotzdem nicht vorenthalten...
Mein Montag bestand hauptsächlich darin, die wichtigsten und schönsten Plätze der vergangenen Woche nochmal auf Film zu bannen. Also bin ich ein zweites Mal zur Kathedrale und dann bei herrlichstem Sonnenschein in der Necropolis herumspaziert. Es war schon ein bisschen ausgestorben da drin, dafür dass so schönes Wetter war. Mädels, wenn ihr jemals dorthin kommen solltet – geht da nicht ganz allein herum... Nein, nicht wegen all der armen Verstorbenen – vor denen braucht sich keiner mehr zu fürchten, schon eher wegen der Lebenden! Das nette ältere Ehepaar, das meinte, ob ich keine Angst hätte und hier so allein rumlaufen wollte, weil der untere Teil doch so ausgestorben ; ) sei, traf ich natürlich erst danach... Ich sage nur, der Park in Athen, Eva – warum sehe immer ich diese Typen??? Zum Glück war er relativ weit von mir weg, aber so ganz wohl war es mir danach nicht mehr bei meinem Fotorundgang...
Doch wenden wir uns lieber angenehmeren Dingen zu: Provand’s Lordship zum Beispiel. Das war so ein bisschen meine kleine Entschuldigung, um nochmal den Weg bis hinaus zur Kathedrale anzutreten (für alle Ortsunkundigen: ich wohnte ein Stück südlich des Stadtzentrums und unser rotes Fähnchen befindet sich nun gerade deutlich nordöstlich der Stadtmitte : ). Das älteste Haus Glasgows hatte ich beim ersten Besuch nicht mehr geschafft, da um 17 Uhr (ja, leider, leider) alle Museen schließen. Man ist sofort mitten im Mittelalter, wenn man durch die niedrige Tür das Gebäude betritt. Es gibt offene Feuerstellen mit Kamin, Holztruhen und Stühle und kleine Fensterchen. Unten drei Räume, eine enge Stiege und zwei Obergeschosse, die auch nicht viel größer sind. Zum Teil sind Bilder ausgestellt und ein Zimmer ist als lebensnahe Rekonstruktion mit Stoffen, Puppe und Musikuntermalung als das Quartier eines gelehrten Kirchenmannes ausgestaltet. Dort traf ich mal wieder einen waschechten Glaswegian (nicht die Puppe ; ), der mir vorschwärmte, wie toll das alte Haus sei. Er war zum ersten Mal drin und kaum zu Halten vor Begeisterung. Dank meiner vorhergegangenen eingehenden Beschäftigung mit der einschlägigen Literatur ; ) konnte ich auch fast alles erraten, was er mir dann über die Geschichte des Hauses und seiner Umgebung in breitestem Patter erzählte. Ja, Provand’s Lordship ist aus dem 15. Jh und der einzige weltliche Teil des mittelalterlichen Stadtkerns, der überlebt hat. Es gehörte verschiedenen Leuten, darunter einem Schneider und einem Brauer und in der viktorianischen Zeit befand sich sogar eine Kneipe darin...
So, dann stattete ich dem Botanischen Garten noch einmal einen Besuch ab. Er war angesichts des schönen Tages voller Leute, insbesondere voller Studis. Aber erzählen wollte ich Euch eigentlich von dem Eisverkäufer vor dem Eingang. Was mache ich, wenn er in seinem kunterbunten VW laut genug hupt? Na logisch, ich probiere das britische Eis! Der Name: single nougat, das Eis: eine dicke, flache Waffel mit Schaumfüllung unten, eine Kugel Vanilleeis mit Erdbeersoße in der Mitte und eine schokoladenüberzogene flache Waffel mit Schaumfüllung unten drunter... mmmmmmmmmhhhh! Na, habt ihr Lust bekommen ; ) ?
Ja, was gab es abends: Chicken Korma. Indisch also. Und es schmeckte herrlich nach Kokos und war so cremig... Schuldbewusster Blick von Heather am nächsten Tag, als ich sie um das Rezept bat: „I cheated,“ sagte sie und hielt ein ausgespültes Glas mit einem blauen Aufkleber hoch. „I ran out of time.“ Tja, so war das mit dem Korma... Aber ich glaube, mein enttäuschtes Gesicht muss ihr so leid getan haben, dass sie danach ihre Vorräte durchforstete und mir zeigte, was so eine Grundausstattung zum Indisch kochen alles beinhaltet. Gewürze hauptsächlich, die man anbrät, bevor es an den Rest geht. Ja, und Kokoscreme im Block...
Für den Dienstag wollte ich mir wieder ein klein bisschen Luxus gönnen und testete ein Mittagsangebot bei einem Chinesen in der Sauchiehall Street. Es war erschwinglich, also 7 Pfund (gut 10 Euro) mit einer großen Cola gegen mein Schlafdefizit aufgrund diverser DVDs und des umwerfenden britischen Fernsehprogramms. Das Buffet, an dem ich mich bedienen durfte, war sehr umfangreich. Suppen, Soßen, Nudelgerichte, Fleischgerichte, Ente, Gemüse, Bananenbällchen, Shrimps, Reis, Nachspeisen... Ich bin nach dem dritten Nachschlag also irgendwie rausgerollt und weiter in die McLennan Art Galleries.
Da die riesigen Kelvingrove Art Galleries gerade noch ein wenig größer und schöner werden, ist ein Teil der Werke dort vorübergehend dort ausgestellt. Ich muss sagen, dass ich ein bisschen erschlagen war, von den Werken, wahrscheinlich auch dem Essen und von der Lautstärke, mit der sich eine Bande englischer Pensionistinnen da drin amüsierte – nicht über die Gemälde, ganz offensichtlich.
Vor dem Eingang oben ist ein kleiner (d.h. so groß wie ich – Relativitätstheorie!) Elefant (ach so!) ausgestellt, aber ich weiß gerade nicht mehr, was seine Geschichte war. Ein ausgestopfter Elefant ist mir allerdings noch nie zuvor begegnet, deshalb war ich ganz entzückt. Plus Kindchenschema und so. Wissen wir ja alle. Aber süß war er trotzdem!
Drinnen gab es zuerst eine Menge Kunst und Design aus dem Glasgow Style (Toshie und Zeitgenossen, also viel Jugendstil) zu sehen. Die hübschen Möbel haben mir sehr gefallen. Dann kamen die Gemälde: interessant fand ich all die Stilleben, vor allem die der holländischen Maler und ich habe auch einiges darüber aus den Erklärungen gelernt. Wer welche Früchte und Tischdecken und welche Arrangements bevorzugt hat... Klingt erstmal albern, aber wenn man es live überprüfen kann, hat es was. Es gab auch eher religiöse Werke und etwas modernere Bilder, aber mit vorticism, Kubismus und dergleichem kann ich nicht immer so viel anfangen...
Am Schluss gab es auch noch einen Saal mit diversen Vitrinen, wo vom aufgespießtem Schmetterling über eingelegte Tierchen (brrr!), Schmuck und Waffen so ziemlich alles zu finden war. Ein echtes Raritätenkabinett, so wie das Museum eben begann... Das gefiel mir ziemlich gut, eben weil es so gemischt war und doch überschaubar.
Nach den über zwei Stunden Kunst verbrachte ich noch ein bisschen Zeit mit dem Bummel durch ein paar Läden. Dann ging es heim nach Pollokshields, wo Howard Haggis für mich kochte. Naja, nicht ganz so übel, aber auch nicht gerade mein Lieblingsessen. Zur Erklärung: Ein gigantischer Klecks Clapshot: Kartoffel-Steckrüben-Püree (ohwei) und ein gigantischer Klecks Schafinnereien (nicht drüber nachdenken). Ich glaube, ich bleibe dann doch lieber im Chinarestaurant, zumindest solange es nicht Hund oder Schlange gibt...
Mein Mittwoch war der Recherche gewidmet. Nachdem ich bei meinen Telefonaten aus Telefonzellen in der prallen Sonne am Montag fast verbrutzelt war, zog ich mich nun wieder in die kühlen Hallen der Mitchell Library zurück. Hatte ein lustiges Erlebnis mit dem sympathischen jungen Herrn hinter der Theke des bibliothekseigenen Cafés, denn von seinem breitesten Dialekt verstand ich nur die Hälfte, so dass ich dachte, er wolle mir noch was extra verkaufen, als er nur wissen wollte, welchen Tee ich denn nun haben wolle. Mein recht energisches NO entsetzte ihn etwas, und als er dann ganz vorsichtig fragte: „Tea did you say?“ war ich auch schon wieder Herrin der Lage. Ich glaube, er fand mich sehr unhöflich ; ) , bis er dann doch irgendwie gecheckt hat, dass ich einfach nur jedes zweite Wort nicht verstehe... Jedenfalls hat er mir beim Rausgehen sehr nett tschüß gesagt. Vielleicht war das aber doch nur deshalb, weil die Hälfte meiner ersten Tasse auf meiner Untertasse gelandet war...
Ja, und dann hatten wir noch einmal mindestens so gute Nudeln wie in der Woche davor. Diesmal waren Pilze in der Soße, mmmhhhhh! Gut, dass Heather zurück aus Manchester war ; ) – das sie im übrigen gar nicht mag... Na, das Meeting schien jedenfalls okay gewesen zu sein. Als wir an ihrem Geburtstag in der Merchant City unterwegs waren, fand ich ihre Anekdote so witzig, in der sie vom Edinburgh Conference Center erzählte. In dem schlauen Hightechsaal ist die Wand, wo die Powerpoint erscheint, so komisch hinter einer Kante, dass der Redner sie nicht direkt sehen kann. Doch, simsalabim, natürlich hat man mitgedacht und da einen kleinen Schirm am Pult installiert, wo man das Bild auch sehen kann – naja, außer man hat seine Lesebrille auf seinem Platz abgelegt ; ) Das war ihr Kommentar dazu, dass man später sagte, ihr Vortrag sei so witzig gewesen und so viel besser als der ihrer Vorredner... es lebe die Improvisation!
So, das letzte Stückchen der Reise bleibt noch für das nächste Mal! Ertragt ihr noch ein bisschen Kunst und Kultur – heißt Sauriermodelle und Warholsche Dosensuppen???
Na, ich hoffe doch! Dann bis zum nächsten Mal!
Sigrun

2004-05-22

Schottland - Die Highlands

Hallo, meine Landschaftsfans! Heute nehme ich Euch mit in die Western Highlands... aber ihr müsst schon raus aus den Federn!
Um 10 Uhr nämlich fuhr mein Bus von der Buchanan Street Bus Station ab nach Fort William. Eifrig notierte ich „stance“ in meinen Vokabelblock: Hättet ihr es gewusst? Bedeutet: „Haltebucht“! Die Strecke, die wir in etwa drei Stunden zurücklegten (wir hatten etwas Verspätung dank eines Straßenmarkierungstrupps am Loch Linnie, den man nicht überholen konnte, da er die Mittellinie nachzog und somit alles blockierte), war landschaftlich an Bergen, Mooren, Seen, Wäldern usw. nicht zu überbieten. Sie führte zuerst auf einer Autobahn aus Glasgow hinaus, dann an den Loch Lomond und an dessen waldreichem Ufer entlang (hup-hup- Jemand hinter der nächsten Kurve???), schließlich quer durch die Western Highlands, durch das Örtchen Glencoe (Wandererparadies) und hinunter an den Loch Linnie und hinein nach Fort William. Naja, vorbei an diversen Pensionen, den drei Häuschen und zur Behelfsbusstation : ) ...
Aber – dem Himmel sei Dank – Safeways hatte einen gigantischen Supermarkt neben den nicht-vorhandenen Busbahnhof gesetzt und offerierte einen meal deal: Sandwich, Chips und Tango apple (das Getränk ist verkapptes Schorle!) für einen Preis, bei dem einen keine Panik erfasste und so saß ich vor der Kirche auf einer Parkbank und brotzeitete genüßlich. Mein Plan war ja, einen Blick auf den Ben Nevis, GBs höchstem Berg, zu werfen und Heather hatte mir auch alle Infos über GBs einzige Kabinenseilbahn ausgedruckt (FAQ á la: Ist das auch sicher???), aber die Talstation lag ein Stück außerhalb des Ortes und es ging kein Bus. Also blieb mir nur ein Taxi, was den Ausflug ungemein verteuerte, aber das war den Spaß allemal wert. Mein netter Taxifahrer versprach auch, mich um 17 Uhr wieder an der Talstation einzusammeln – perfekt also. Die Seilbahnfahrt war sehr lustig und die Aussicht wurde bis zu den etwa 650 Metern der Bergstation minütlich besser. Aonach Mor hieß der Gipfel, der allerdings in den Wolken steckte. Oben gab es verwaiste Skigebiete, Schafe mit Lämmchen und zwei Wanderwege. Von dem einen Aussichtspunkt konnte man herrlich ins Tal sehen, bis zur Isle of Skye und den Loch Lochy ; ) und vom anderen sah man Ben Nevis. 1344m. Nein, nicht wirklich! Man sah nur die Nordflanke, nicht den Gipfel – aber das erfuhr ich erst zuhause in Glasgow... und da tat es meiner Begeisterung keinen großen Abbruch mehr! Schließlich nahm ich wieder die Gondel nach unten, kaufte ein paar Ansichtskarten, trank einen Kaffee (war wieder eine Runde „my dear“) und lies mich dann von meinem Taxifahrer wieder zurückkutschieren nach Fort William, wobei ich eine weitere Lebensgeschichte erfuhr. Der gute Mann war nämlich vor 35 Jahren einmal um die Welt gereist...
Die restlichen zwei Stunden verbrachte ich unten am Loch Linnie, wo ich das Ufer nach hübschen Steinen absuchte, feststellte, dass die kantigsten die aufregendsten Muster haben (eine auf Menschen übertragbare universelle Lebensweisheit?!) und dann nochmal durch die High Street bummelte. Nach einer abschließenden Runde durch Safeways bestieg ich wieder den Bus, der voller Studenten schien, und genoß das Licht der untergehenden Sonne, das uns die ganze Heimfahrt begleitete...
Falls ihr in GB mal Hunger habt und was mikrowellentaugliches sucht: Safeways Canneloni sind echt spitze! Meine waren allerdings nicht aus den Highlands importiert, sondern Glaswegian, denn meine Familie vergnügte sich (eher nicht) auf dem Event, für das die so eilig fertigzustellenden Broschüren waren... Eine echte Sauerei, dass sie nicht mal den zugesagten Tisch bekamen und um 23 Uhr schon wieder nach Hause kamen...
So, genug gepostet! Gönnt Euren Augen eine Pause und Eurem Magen etwas Gutes... und lest ein andermal weiter!
Sigrun

Schottland - The Lighthouse, Pollok House und Mr Burrell

Hallo, ihr Unermüdlichen!
Worum es in diesem Post geht, könnt ihr wahrscheinlich schon erahnen: Ein Leuchtturm (hä? - mitten in der Stadt?) und ein Haus (ein großes, großes Haus!!!) und um Kunst...
Am Freitag habe ich mich also von meinem Lehrer verabschiedet, meinen Imbisswagen besucht und dann bin ich nicht gleich dem Leuchtfeuer entgegen, sondern erstmal im Borders hängengeblieben. Das ist ein supergeniales Paradies für Bücherwürmer, Schreibwarensüchtige, CD-Freaks und DVD-Junkies. War nicht mein erstes Mal, dass ich drin war, aber mein längster Besuch. Und der teuerste!!! Dafür war aber auch die Tüte schwer... Eine monströse Grammatik, ein Selbstlernlehrbuch , einmal Peter Pan (Auftragsbuch – hallo Nadine!) und – lacht jetzt nicht über mich – die King James Version der Holy Bible. Erstens, weil von Prof. Kamm uns Anglos dies ans Herz gelegt, da Dickens & Co. natürlich ihre Bibelanspielungen nicht aus der 70er Jahre-Neufassung genommen haben, und außerdem finde ich den Text in der 1611er-Ausgabe weit ergreifender als sämtliche Neuübersetzungen.
Also, so habe ich mein Bücherbündel die Fuzo hinuntergeschleift und nach den Lichtsignalen Ausschau gehalten, die ich natürlich nicht gesehen habe. (War kein Birnchen drin...) Nein, im Ernst: Zum The Lighthouse – Scotland’s Centre for Architecture, Design and The City musste ich mich erst durchfragen. Als ich reingekommen bin, befand ich mich schlagartig inmitten der architektonischen Moderne. Der subway-reversed-overkill sozusagen. Unten ging es ja noch, denn die Damen am Eingang waren sehr nett, haben mich abkassierte und mein Gepäck übernommen... aber dann ging es mit einem merkwürdig auseinanderfaltbarem Programm in der Hand die Rolltreppe mit den blauen Glühdingern dran hinauf... und ich wiederholte nur leise „2, 3 und 5 für die Ausstellungen“. Ebene 1 habe ich auch gleich hinter mir gelassen – Vortragsräume und der Laden, der ein halbes Möbelhaus war. Dann Ebene 2: Die zwar vorhandene Beschilderung sagte mir nichts – nur was mit e-learning... Aber dass das nichts mit meiner Vorstellung von einer Ausstellung zu tun hatte, begriff ich schnell, als ich mich an einen der PCs setzte, das Headset aufsetzte und mich mit einem Mausklick als Manager einer Internetradiostation in der virtuellen Welt wiederfand. Nein, das war mir eindeutig erstmal zu interaktiv! Auf der Suche nach ein bisschen „Jugend“stil landete ich in der „wee people’s city“, doch da ich gleich an der Eingangsprüflatte mit meinen 171 hängen blieb, warf ich nur einen kurzen Blick auf die ach-so-schönen Spielsachen und begab mich zurück zur Rolltreppe, wo ich dann auch das erste entdeckte, das wie ein Display aussah: Eine Wand aus herausziehbaren Ziegelsteinen, jeweils rundherum beklebt mit den Fotos, die ein Glasgower Kind in seinem Wohnumfeld geknipst hatte. Das war schon eher was für mich...
Weiter oben wurde ich schließlich doch noch fündig: Eine sehr vielfältige Ausstellung über Toshie mit Treppe zum „Leuchtturm“ und Aussicht über die Innenstadt, eine Ausstellung von Schmuck einer jungen Designerin, ein Raum mit fünf langen Schaukästen unter dem Motto „Fieldtrip“ und vermutlich sündhaft teure Riesenfotos von Budapester Architekturhighlights in der Long Gallery. Ich nahm schließlich – nicht ohne einen Rundgang durch den Laden – die Treppen nach unten, sammelte meine Wälzer ein und nahm die Bahn nach Pollokshields West. Das Abendbrot bestand darin, dass ich mit Heather über die knallgrünen – weil spinathaltigen! : ) – Kartoffelpuffer diskutierte und mich fasziniert über die gegrillten Pilze mit Schinken, Käse und Lauch hermachte. Kennt ihr die Episode mit der blauen Suppe bei Bridget Jones??? (Für alle, die den Film oder die Bücher nicht kennen: Sie benutzt blaue Schnur zum Einwickeln irgendeiner Zutat und hat am Ende ein leuchtend blaues Süppchen im Topf...)
Am folgenden Morgen wurde erstmal ausgiebig gebruncht, denn es war Heathers Geburtstag. Da sie aber Besuch von ihrer Familie bekommen sollte, brach ich danach auf zum Pollok Estate. Zieht niemals neue Schuhe an, wenn ihr nicht so genau wisst, wann ihr sie wieder ausziehen könnt!!! Am Anfang allerdings war ich noch sehr vergnüglich, denn es war ein schöner Sonnentag und der Weg zu dem großen Gut führte mich durch ein paar Straßen mit netten Villen (, bellenden Hunden, schrillenden Autoalarmanlagen...) Na, wir wollen ja mal nicht fies sein! Schließlich gelangte ich am Anfang der Parkanlagen an. Der Park war ausgedehnt und praktisch nicht beschildert, aber ich verließ mich ganz auf meinen pocket guide – und gelangte auch prompt zuerst an der falschen Attraktion an... Aber Programm war Programm und ich wollte erst das herrschaftliche Anwesen der Maxwell Family besichtigen, die sich auf Wilhelm den Eroberer zurückführt (für alle, die es nicht mehr wissen: Battle of Hastings 1066), was ich mit leichtem Schmunzeln zur Kenntnis nahm. Zwischen Pferdekoppeln und Reisebussen hindurch kam ich irgendwann dorthin – und staunte nicht schlecht. Nicht nur darüber, dass der freundliche Herr am Eingang misch für einö Fransösin hielt (Blaugestreifte Bluse? Ballerinas mit Fesselriemchen? Nein, ich weiß: auf meinem beigen Rock steht bestimmt unübersehbar groß „Esprit“!) Na, jedenfalls war ihm sein Irrtum furchtbar peinlich, doch war seine Welt wieder in Ordnung, als ich gleich noch den Führer über das Haus kaufte. Daraus stammen nun auch die nachfolgenden Weisheiten:
Das Anwesen stammt aus der Mitte des 18. Jhs und verfügt über eine Vielzahl von Räumen, zum großen Teil mit originalem Mobiliar und einer Menge sehenswerter Bilder (spanische Meister wie Goya und El Greco!). Besonders gefallen hat mir die Bibliothek, ein pavillionartiger Raum mit Türen zum Garten, innen mit ionischen Säulen unterteilt in drei Teilräume, die nicht weniger als 7000 Bücher beherbergen und als „finest library“ in ganz Schottland beschrieben werden. Was noch erwähnenswert ist, ist das Jagdzimmer im Dienstbotengang (Keller): In diesem gun room, der um 1900 so eingerichtet wurde, haben diverse Gewehre, Munition, Ausrüstung und Reinigungssets Platz, neben diversen Jagdtrophäen und Jagdbildern. Ein sehr rustikaler Anblick mit den aus dunklem Holz getäfelten Wänden...
Danach bin ich in den Parkanlagen des Hause herumspaziert, die sehr liebevoll mit Frühlingsblühern in peppigen Farbkombinationen bepflanzt waren, und habe mich dann zur zweiten Attraktion, der Burrell Collection begeben. Diese Sammlung eines Reeders wurde der Stadt 1944 geschenkt und umfasst 9000 Einzelstücke, aber erst 1983 fand sie ein neues Heim, denn der schlaue Mann hatte verfügt, dass die Sammlung 16 Meilen vom Stadtzentrum entfernt gezeigt werden sollte – was jetzt zwar nicht der Fall ist, aber ländlich ist es dort sehr wohl! Burrell hatte wahrscheinlich Angst um seine kostbaren Wandteppiche... aber Glasgows Luft ist sehr viel sauberer geworden, so dass ich nicht glaube, dass sie dort Schaden nehmen. Insgesamt sind dort ägyptische, griechische, römische, chinesische, islamische und mitteralterliche Kunstwerke ausgestellt sowie Gemälde (v. a. Degas, Cezanne) und Plastiken (Rodin!), besagte Teppiche, bestickte Gewänder, Waffen und Rüstungen, Glasfenster und originalgetreue Rekonstruktionen dreier Räume aus seinem Schloss, Hutton Castle.
Ich bin ja ein großer Fan der Antike und habe schon einiges gesehen an Funden, aber der Mann wusste, was schön ist! Es waren sehr gut erhaltene und feine Gefäße dabei, Sarkopharge, Statuetten... Also, wer nach Glasgow kommt: Diese Sammlung ist ein absolutes Muss!
So, nun war ich also ziemlich fußlahm – weil weit gelaufen – und natürlich mit neuen Schuhe unterwegs... Also quälte ich mich quer durch den Park zum Haltepunkt Shawlands, dessen Lautsprecherdurchsagen auch für die Eingeborenen unverständlich blieben – wir hofften nur, dass die Bahn überhaupt kommen würde. Tat sie schließlich auch...
In der All for one-Bar im Zentrum traf ich dann die Geburtstagsgesellschaft wieder. Ich hoffte eigentlich auf Futter, aber es gab erstmal nur Wein. Und jeder gab mir was aus! Ich kann nicht sagen, dass ich mich gelangweilt hätte... : ) Danach ging es weiter zu einem Italiener, wo wir draußen im Kühlen saßen, dann in ein Irish Pub in den Markthallen der Merchant City, danach in eine weitere Bar gegenüber, bis wir gegen halb neun (mein Magen hing durch bis auf den Fußboden und ich war sehr heiter ; ) in der spanischen Tapasbar daneben einen Platz bekamen.
Howard hatten wir vorübergehend verloren, da er zuhause noch ein bisschen was nachschlafen musste, denn er hatte die ganze Nacht an irgendeinem Auftrag gearbeitet und nur zwischen drei und vier eine Stunde schlafen können. Der Rest unserer Truppe, alles Junggebliebene um die 40, bestand aus zwei Buchhaltern, einer Arzthelferin, einer HNO-Krankenschwester, einem Museumsdirektor und zwei weiteren irgendwas-Managern. Ich unterhielt mich sehr angeregt mit dem Museumsmenschen, der mal in Paderborn als Soldat stationiert gewesen war und hörte mir seine Lebensgeschichte an...
Erst gegen Mitternacht fuhr uns drei Pollokshieldser jemand nach Hause und ich musste doch so früh raus! Denn nun kam der große Tag, auf den ihr alle wartet: die Highlands! Ich hoffe, mir ist keiner böse, dass ich ihn getrennt posten werde, aber ich dachte, das wäre leserfreundlicher...
Sigrun

2004-05-19

Schottland - Von der Kathedrale bis zum Botanischen Garten

Hallo, meine Schottlandbegeisterten! Poste Euch heute alles von der Kathedrale über die Stadt der Toten und die liebenswerte Miss Toward bis hin zu Whistlers Frauen und dem Palmenhaus... Seid ihr gespannt?! Schööööön!
Am Dienstag morgen hatte ich eine erste Negativerfahrung mit den Bussen: Man hat mich glatt stehenlassen – „I’m full!“ – aber der nächste 57er hat mich dann mitgenommen. Schön, wenn einem am zweiten Tag, an dem man Bus fährt, schon die Leute zuwinken, neben denen man am Tag zuvor gesessen ist und die das Glück haben, dass sie nicht unbedingt die 57 brauchen... Nach einem dennoch pünktlichen Schulbesuch bin ich zum Mittagessen an einem der Imbisswägelchen angestanden (bekannt als „to queue“, auch very British). Die hatte ich vom Montag in guter Erinnerung, denn man kann da so herrlich nach dem Weg zur Schule fragen : ) und das Essen ist auch billig. Also gab es einmal bacon roll für mich, bevor ich mich in die 42A setzte und quer durch die gesamte Innenstadt fuhr (das Einbahnstraßensystem ist very sophisticated – dreispurig und der ganze Verkehr besteht zu zwei Dritteln aus Bussen seit der Deregulierung), um an der Royal Infirmary auszusteigen. Das ist ein riesiges viktorianisches Krankenhaus, das einmal sandgestrahlt werden müsste, denn es ist furchtbar schwarz! Gleich dahinter ist die Kathedrale, in der ich eine ganze Weile herumgelaufen bin, weil sie zahlreiche Anbauten und Krypten hat. Doch, sie ist wirklich einen Besuch wert. Anschließend bin ich über die Brücke der Seufzer (sie hat leider nicht geseufzt, aber vielleicht war ich ihr nicht schwer genug oder noch zu lebendig) in die Stadt der Toten, die Necropolis, hinübergewandert. Die meisten von Euch haben vielleicht schon mal von dem Pariser Friedhof Pére Lachaise gehört – damit wird Glasgow manchmal verglichen, denn der Anblick ist echt beeindruckend. Der Friedhof liegt auf einem Hügel und zieht sich den ganzen Hang hinunter, so dass man eine tolle Sicht innerhalb des Geländes hat. Die Anlage ist sehr grün (schottischer Rasen) und im unteren Teil ist die deer area. Da springen dann die Hirsche zwischen den Grabmälern, den Steinengeln und –urnen und den Bodenplatten herum...
Als ich den höchsten Punkt erklommen hatte und wieder nach einem befestigten Weg gesucht habe (weil ich ja ein netter Mensch bin und nicht den Rasen unnötig zertrampeln wollte), ist mir einer der Arbeiter mit seinem Fahrzeug begegnet. Er hat sein Fernglas ausgepackt und mich hergewunken – so konnte ich noch einen schönen Blick auf die Hirsche werfen und meine Patterkenntnisse erweitern...
Für die, die es noch nicht wissen: Ich liebäugele für mein Landeskunde-Diplom mit dem Spezialthema Religion und was darf man da nicht auslassen? Natürlich, das erste Museum für religiöses Leben und religiöse Kunst, das direkt neben der Kathedrale liegt. Die Brücke der Seufzer hat mich also schweigend zurückgebracht zu dem sehr gut gemachten Museum, das in einem ersten Stock einen großen Raum mit einigen besonderen Stücken von religiöser Kunst zeigt (nein, nicht nur Madonnenbilder und Kreuze! Vielmehr einen lebensgroßen tanzenden Shiva, afrikanische rituelle Masken, einen muslimischen Gebetsteppich, diverse Buddhas etc.). Dahinter gelangte man in eine sehr informative Gallerie, die in Vitrinen Grundinfos zu Christentum, Islam, Judentum, Hinduismus, Buddhismus und den Sikhs gab und religiöse Gegenstände zeigt und erklärte. Daneben waren thematisch zusammengestellte Schaukästen zu Aspekten wie Taufe, Initiationsrituale, Hochzeit, Tod, Aberglauben, Missionierung, Klosterleben usw. zu sehen, wo versucht wurde, verschiedene Religionen nebeneinander abzudecken. Im zweiten Stock gab es noch eine Ausstellung über Religion in Schottland, die ziemlich geschichtlich ausgelegt war. Nichts gegen die Gallerie zuvor!!!
Abends saß also eine sehr müde Sigrun vor dem Fernseher und aß mit Howard die Reste des casoulets, weil Heather zu einer Konferenz nach Cardiff geflogen war und erst am Donnerstag wiederkommen sollte. Es lief irgendeine amerikanische Serie über Leute, die plötzlich verschwinden und die Suche nach ihnen... fühlte mich erinnert an die Braut, die sich nicht traut, nur dass die in der Serie erst beim Bankett verschwand...
Am Mittwoch habe ich mich nach der Schule erstmal in den Kelvingrove Park begeben, wo ich mit Haferkeksen meinen Hunger gestillt habe. Danach bin ich zum tenement house museum gegangen, das sich in einem ganz normalen Wohnhaus nordwestlich des Zentrums befindet. Dort gibt es in einer der Erdgeschosswohnungen eine Ausstellung zu der Geschichte der darüberliegenden tenement-Wohnung und ihrer Bewohnerin, Miss Toward. Ja, eine alte Jungfer; aber wäre sie nicht unverheiratet geblieben, hätte sie sicher niemals all den wundervollen alten Plunder angehäuft!!! 1911 ist sie mit ihrer Mama in die Wohnung eingezogen, 1939 ist die alte Dame gestorben und so hat Miss Agnes Toward, die als Stenotypistin bei einer Reederei beschäftigt war, alleine bis 1965 in den Räumen gelebt, bevor sie so schwächlich war, dass man sie im Krankenhaus behielt. Ihr Anwalt zahlte weiterhin die Miete, so dass bis zu Miss Towards Tod 1975 die Wohnung im Originalzustand erhalten blieb. Dann wird es abenteuerlich: Die Wohnung sollte eigentlich nur noch geräumt werden, aber in ihrem Testament hatte die Dame einige Stühle an ihren church elder (das ist eine presbyterianische Spezialität: die Gemeinden werden dort von gewählten Ältestenräten geführt) vermacht. Als dieser Mr Davidson besagte Stühle abholen wollte, begleitete ihn seine Nichte Anna, eine Schauspielerin, die von der Wohnung total entzückt war und daraufhin dort einzog. 1982 war sie es, die die Räumlichkeiten an den National Trust verkaufte...
Die Wohnung wurde zum Teil wiederhergestellt, aber vieles ist eben noch erhalten geblieben. Es gibt ein Schlafzimmer, einen kleinen Salon, eine wundervolle alte Küche mit traditionellem Herd und ein Bad, auf dessen Fensterbrett eine Unmenge niedlicher Fläschchen und Tuben stehen. Einfach eine tolle alte Wohnung! Die Austellung hatte als Sonderthema „Reisen“ und zeigte herrliche Postkarten, Briefe, Köfferchen und den Badeanzug der Dame aus den Vierzigern – als man noch „bekleidet“ badete! Ich war hellauf begeistert, denn selten wird Geschichte so anschaulich!
Danach beschloss ich, zur Haltestelle Cowcaddens hinunterzuspazieren, und mal die U-Bahn zu testen, die dort übrigens subway heißt. Mit meiner zone card durfte ich ja praktisch alles benutzen, was fährt. Ich war ja durch meinen Reiseführer auf einiges vorbereitet, aber wenn man Bilbao die Moderne gesehen hat, haut es einen in Glasgow halb um. Satte vierzig Meter Bahnsteig, superenge Treppen, mit Metallbarrieren gegen Drängler, ein niedriges Gewölbe, links der outer circle gegen den Uhrzeigersinn, rechts der inner circle im Uhrzeigersinn und winzigste Wägen mit Längsbänken, in denen man kaum in der Mitte aufrecht stehen kann... Nichts für Leute mit Platzangst, glaube ich. In der Fuzo kam ich wieder ans Tageslicht und weil mein Magen knurrte, landete ich am St Enoch Shopping Centre im Auld’s. Für die Kellnerin, die meine Oma hätte sein können, war ich dann auch gleich „my dear“ – und die sausage roll, hinter der ich ein Hot dog vermutete, erwies sich als eine Art Schweinsbratwürstchen in einer Blätterteigtasche... und wer weiß, wie sehr ich Bratwürste liebe, kann sich denken, dass ich die britische Küche in Gedanken mal wieder verwünschte...
Wie gut, dass es zu Hause bei Howard im Kühlschrank herrlichen Schinken, Kartoffelsalat und grünen Salat mit Gurken, Tomaten und rotem Paprika gab! Keine Ahnung, durch welches Fernsehprogramm ich mich an dem Abend guckte...
Am Donnerstag standen nach der Schule die Hunterian Art Gallery (benannt nach William Hunter, Geburtshilfepionier und Philantrop) und der Botanische Garten auf meinem Programm. Das Museum liegt mitten zwischen den Gebäuden der Universität und die Studis sahen erfrischend normal aus. Dass die Museen, die der Stadt gehören, nichts kosten, fand ich faszinierend. Tür auf, Tür zu und da stehst du mitten zwischen Rembrandt, Whistler und den Glasgow Boys und den Stühlen von Charles Rennie Macintosh...
„Toshie“ ist das große Aushängeschild der Stadt und da Universalgenie in Sachen Architektur, Inneneinrichtung und Design ebenso universell zu vermarkten. Eigentlich hoffte ich auf die größte Sammlung seiner Jugendstilgegenstände, aber die war leider gerade zu. So standen nur ein paar verwaiste Stühle zwischen den Gemälden. Die waren zum größten Teil impressionistische Malerei – natürlich nicht der Rembrandt ; ) – aber Whistlers große, schmale Frauendarstellungen (die mich mit ihren leuchtenden Kleiderfarben beeindruckten) und Glasgow Boys wie James Guthrie, die im Freien malten und ländliche Motive bevorzugten...
Danach marschierte ich weiter zu Botanischen Garten, der angesichts des eher bescheidenen Wetters ziemlich verweist war. Der Kibble’s Palace, der sonst diversen australischen Riesenbäumen ein Heim bietet, war geschlossen, denn auch hier wird fleißig gebaut. Die anderen Treibhäuser allerdings begrüßten mich gleich mit einem Rundbau voller Frühlingsblüher, einem plätschernden Wasserbecken und dem daran anschließenden Orchideenhaus. Selten habe ich so raffinierte Blütenformen gesehen. Ich bereute es sehr, dass meine Kamera noch immer ohne eingelegten Film in meinem Rucksack mitreiste...
Da das Orchideenhaus quasi eine Einbahnstraßenlösung ist, gelangte ich am Ende wieder zu den Tulpen und Narzissen zurück. Von dort aus ging es weiter zu den semiariden und dann zu den ariden Pflanzen, zu deutsch Kakteen. Vor allem nord- und südamerikanische Wüstengewächse waren vertreten. Durch die nächste Tür kam ich dann in ein riesiges Palmenhaus. Ich liebe Palmen!!! Gut, dass ich mit der Goretex-Jacke losgezogen war, denn die Pflanzen tropften ziemlich – das Personal war nämlich gerade mit riesigen Sprühaufsätzen am Gießen! Vom Palmenpalast aus gab es noch zwei Seitengänge mit tropischen Pflanzen, Farnen und allerlei Grünzeug, das auf Bäumen wuchert. Zwischendrin waren aber auch ein Zimtbäumchen, Kakaopflanzen, Bananenstauden und alles gut beschildert... Die Begonien waren gerade nicht zugänglich, aber das war okay. Mit Palmen kann man mich erstmal wunschlos glücklich machen... : )
Ziemlich erschlagen saß ich danach draußen in der Parkanlage und ruhte meine geschundenen Füße aus. Dabei wurde ich Zeugin eines herrlichen Schauspiels: Auf dem asphaltierten Weg, der nach dem Regen voller Pfützen war, war eine Mami mit Buggy unterwegs. Ihr folgte, immer schön durch die Pfützen platschend, ein kleines Mädchen, das gerade gut laufen konnte. Sie begleitete ein gutmütiger Teddybär, der fast so groß war wie die Kleine selbst, und der sich ohne Brummen am Ohr packen ließ und sogar als er am Schwanz gefasst und quer durch die Pfütze geschleift wurde, protestierte er nicht. Er tropfte nur, sehr zur Begeisterung der Mama, die nur einen resignierenden Blick auf seine patschnassen Pfoten warf und sich wahrscheinlich dachte: Das bleibt nur noch die Waschmaschine... : )
Wie schön, dass ich am Abend Heather davon berichten konnte, die von Wales erzählte und mir und Howard herrliche Nudeln mit Speck, Pilzen und Tomatensauce kochte! Die nächsten zwei Tage poste ich wieder extra: Dann geht es nochmal auf zu Kunst und Kultur und einmal durchs Nachtleben in der Merchant City!
Sigrun

2004-05-18

Schottland - People's Palace und Mitchell Library

Hallo, meine treuen Leser! Nachdem ihr nun alles über meine Familie und das Glasgower tenement sowie seine Einrichtung wisst, schreibe ich mal, was ich zu Beginn der ersten Woche so alles unternommen habe.
Ich hatte ja vormittags immer den Sprachkurs, so dass ich meist um 8:30 Uhr rennenderweise nach einem Blitzfrühstück zur Bushaltestelle getigert bin, und gehofft habe, dass mich eine 57 nach Charing Cross mitnimmt. (Fühlt Euch an London erinnert!) Dass mich die 57 praktisch bis vor die Türe der Schule gefahren hätte, habe ich erst am letzten Tag entdeckt. So bin ich immer noch eine Viertelstunde spazieren gegangen. Mein Lehrer Alan war noch ziemlich jung, wegen Zweitjob als Teilzeitbuchhalter meist gut angezogen und sehr nett. Und schon vergeben, klar ; ) Wir hatten in den Stunden recht schöne Themen wie Feng-Shui, Darten, Namen, Männer und Frauen, Frida Kahlo, Kunst allgemein, Shakespeare etc. Wenn ich nicht zum zehnten Mal das Gleiche kommentieren muss, lockt man mich auch leichter aus der Reserve. Sehr gekämpft habe ich gegen die Idioms, die Antonyme (auf die ich nie kam) und gegen den schottischen Akzent meines Lehrers bei den Hörverständnisübungen. Insgesamt war ich sehr zufrieden mit dem Unterricht! Also, falls es jemanden nach Glasgow verschlägt, kann ich The Macintosh School of English Language empfehlen.
Meine Erfahrungen mit dem Patter waren folgende: wichtigste Vokabel ist „wee“. Das bedeutet „klein“ oder „unbedeutend“. Das kann eine Person sein: „the wee ones“ sind also die Kinder und „wee people’s city“ ist das Spielparadies für die Kinder im Lighthouse, von dem ich noch berichten werde. Howard pflegte das Wort aber folgendermaßen zu benutzen: „Why do I always get the wee portion? She always gets the big one!“ Mit „she“ meinte er mich und entrüstete sich spaßhalber über Heathers Versuche, meine Figur in zwei Wochen grundlegend zu verändern... was ihr (leider) nicht gelang. Ansonsten sind die Leute nicht sehr entgegenkommend, was die Aussprache angeht: Wenn du nachfragst, sagen sie dir fünfmal denselben Kauderwelsch. Von dem was die beiden neunjährigen Schulmädchen aus Newton in der Vorortbahn sagten, verstand ich praktisch kein Wort. Sie interessierten sich aber sehr für das Bildchen, das in meiner zone card klebte, als der Kontrolleur kam. Soviel bekam ich mit. Und die molligere der beiden Gören hatte die gigantischsten Löcher in der Strumpfhose ihrer Schuluniform, die ich jemals gesehen habe. Mehr Loch mit Stumpfhose als Strumpfhose mit Loch... the wee ones ; ) ...
An meinem Ankunftstag, dem Samstag, goß es ohne Pause. Wäre ja nicht GB ohne Regen! Mein niederländischer Flieger hatte ab Amsterdam ziemliche Verspätung, denn nach dem Durchqueren des Gates mit den üblichen Formalitäten mussten wir nochmal eine ganze Weile warten, weil noch irgendwas mit der Maschine war. Ich mag den Amsterdamer Flughafen sowieso nicht, weil er riesengroß und mir zu modern ist. Das aber hat mir dann den Rest gegeben! Als ich in Glasgow draußen war, bin ich nach einem Abstecher zum Geldautomaten in den Shuttlebus geflitzt (Regen!) und zur Buchanan Street Bus Station gefahren, wo im benachbarten Langs Hotel in der Bar Heather auf mich wartete. Sie hat mich durch die Glasfenster auch gleich entdeckt (ich hatte immerhin nur eine halbe Stunde Verspätung) und mich erstmal willkommen geheißen, sich vorgestellt und mich mit Kaffee und fizzy apple versorgt. Wir haben geplaudert, bis Howard gekommen ist und dann sind wir mit dem Auto (kleiner französischer Flitzer made by Peugeot) nach Pollokshields hinausgefahren. Abends gab es eine sehr dekorative Vorspeise aus Rukola, Paté und Haferkeksen und danach Huhn mit Erbsen und Reis (very British).
Am Sonntag habe ich ziemlich lange geschlafen, ein bisschen mitgebruncht (Kartoffelpfannkuchen, Speck, Eier etc.) und mich mittags auf den Weg zum People’s Palace gemacht. Recherche zur Stadtgeschichte sozusagen. Ich bin von der Central Station über den Salzmarkt hinausgelaufen, bis ich schließlich ans Glasgow Green gekommen bin: Noch heute hat jeder Bürger der Stadt das Recht, dort Schafe weiden zu lassen und seine Wäsche zu trocknen. Kleine Enttäuschung: kein Schaf, keine flatternden Hemden – die Glasgower scheinen auf Synthetik und Wäschetrockner umgestiegen zu sein. Vor dem nicht so wäschefreundlichen Wetter musste ich mich auch gleich in das Glashaus hineinflüchten, wo mich angenehme Wärme, Kaffeegeschirrgeklapper und viel Grün begrüßten. Nachdem ich mich im Wintergarten umgesehen und meinen Stadtführer konsultiert hatte, bin ich die Treppen im Backsteinteil des Gebäudes hinaufgestiegen und fand mich mitten in der Geschichte der Stadt wieder.
Das Museum ist sehr empfehlenswert, mit gutem Medieneinsatz und vielen interessanten Exponaten. Lustig fand ich all die „Waffen“, die die Polizei bei einer Kundgebung der Sufragetten beschlagnahmt hatte (erinnerten an Nudelhölzer : ) und sehr beeindruckend fand ich eine Geschichte aus dem zweiten Weltkrieg, bei der das dicke Büchlein, das ein Schotte einem gefallenen deutschen Soldaten abgenommen hatte und das er in seiner Brusttasche trug, ihm zusammen mit einem davorliegenden Metallspiegel das Leben rettete. Als ihn nämlich eine Kugel traf, wurde sie von dem Spiegel gebremst, den sie allerdings noch durchschlug, doch blieb sie in dem kleinen Wälzer stecken. Ratet mal, was da u. a. drin war: Ein Bildchen der Altöttinger Madonna...
Als ich nach zwei Stunden Rundgang in den Räumen und einer weiteren Runde durch den Wintergarten (mit Päuschen auf einer Bank) schließlich zurück zum Bahnhof und dann nach Pollokshields kehrte, zog es mich sehr auf das Sofa und vor den Fernseher. Doch wir hatten ja Besuch! Besuch von Steven... Man hatte mir ihn am Tag zuvor schon ganz liebevoll angekündigt und mir gesagt, er sei ein wenig seltsam (weil schüchtern : ) und natürlich musste man ihn zuerst fast ins Wohnzimmer tragen, damit er mir hallo sagte, und ebenso schnell war er dann auch erstmal wieder draußen.
Nachdem er beim folgenden Abendessen brav in seiner Hackfleisch-Pie herumgestochert hatte (mein vollstes Mitgefühl – mir schmeckte sie nämlich auch nicht wirklich!), taute er erst auf, als er uns zwei Damen die Vanillesauce über den Kirschstrudel gegossen hatte. Eine große Aufgabe für einen dreizehnjährigen Jungen ; ) (Howards grinsender Kommentar: I like your doing that). Als wir dann ein paar Fragen über die Schule stellten, wo es ihm natürlich nicht gefällt ; ) fühlte er sich richtig in seinem Element. Mir würde eine Schule auch nicht gefallen, bei der der Cross-Country-Lauf darin besteht, dass man die Kids auf dem Asphalt um den Häuserblock jagt, wenn es da in der Nähe einen Park gibt. Total bescheuert... Jedenfalls hatten wir eine sehr vergnügliche Unterhaltung, bis das Essen beendet war und Howard Steven nach Hause fuhr (die beiden sind um ein paar Ecken verwandt).
Am Montag absolvierte ich morgens mein erstes Stückchen Sprachkurs und gönnte mir dann ein griechisches Mittagsessen in der Sauchiehall Street (so-ki-hool, für alle, die sich fragen, wie man das richtig ausspricht). Das Restaurant war ganz nett, mit viel Deko (Schiffchen, Inseln und Bildern an der Wand) und das Essen war okay. Ich fand es störend, dass man den Salat und das Lamm mit Oregano und Knoblauch auf dem Pittabrot servierte, denn das arme Brot war dadurch arg durchgeweicht, aber nun gut...
Gleich um die Ecke lag dort die Mitchell Library, Europas größte Präsenzbibliothek. Total unkompliziert, falls man mal dort angekommen war, wo man hinwollte... Ich fragte vorsichtshalber gleich den netten Herrn am Eingang und fand dann vorbei an der Robert Burns-Sammlung (schottischer Nationaldichter) durch endlose Gänge den Weg in die „carpeted area“  und hinauf in den Glasgow Room, wo man einfach mit Rucksack durch die Türe hereingehen darf und sich an den Tischen ausbreiten kann (Passau?!). Die nette Bibliothekarin zog nach einer kurzen Einführung gleich die richtige Literatur zu meinem Thema aus dem Regal... paradiesisch, was?!
Abends gab es etwas namens cassoulet mit Ofenkartoffeln, was mit einem nicht-ungarischen Gulasch vergleichbar ist. Dazu gab es Gemüse: Zucchini und Karotten, aber lecker, da nicht matschig gekocht. Brrr, ich hasse Matschgemüse!
So, ich glaube, ich muss Dienstag usw. getrennt posten, denn sonst bekomme ich Morddrohnungen ; ) Hoffentlich frisst das Netz nicht wieder meine Zeilenschaltungen. Die Uhr geht auch nicht, da müsst ihr vier Stunden draufschlagen (Ich melde mich, wenn es mir gelungen ist, sie umzustellen....)...
Sigrun

Schottlanderinnerungen - Gastfamilie und -tenement

Hallo meine Lieben!
Hier kommt noch ein kleiner Nachbericht meiner Schottlandreise, auch deshalb weil es diesmal keine vorzeigbaren Fotos gibt. Schlau wie ich bin, habe ich meine Kamera in Passau gelassen und musste mir dann ein knallrosa Plastikding in Glasgow kaufen (Buchanan Street Shopping Galleries - first place for serious shopping ;) - bei dem ich natürlich den Film erstmal nicht einlegen konnte. Es gibt also nur von Samstag, Sonntag und Montag in der Mitte meines Aufenthalts einige ungleichmäßig scharfe und braunstichige Bildchen... jammerschade!
Meine Gastfamilie muss ich mal genauer vorstellen:
Heather, 38, arbeitet für die Royal Deaf Society in Edinburgh (hauptsächlich daran, Architektur nicht nur schön, sondern auch für alte Leute, Behinderte und Mamis mit Kinderwägen benutzbar zu gestalten!). Sie ist mittelgroß und schlank, hat lange dunkelbraune Haare mit Ponyfransen und eine Brille - und eine umwerfende Ausstrahlung. Seit einer Meningitiserkrankung ist sie praktisch völlig taub, aber sie liest wie eine Meisterin von den Lippen. Zusätzlich hilft sie sich mit den Untertiteln im Fernsehen und einem Spezialtelefon mit Textfunktion. Ein wundervoller Mensch!!!
Howard, 40 (glaube ich), hat sich letzten Sommer mit einem kleinen Marketing- und Designbüro in der Glasgower Innenstadt zusammen mit einem Partner selbständig gemacht. Er hat einen Marketing B.A. - sie hat auch einen B.A., aber keine Ahnung worin. Er ist blond, ziemlich groß und ein (bären)starker Kerl.
Nächstes Jahr wollen die beiden heiraten - ich hätte solche Lust, dann wieder hinzufliegen... Momentan (seit Herbst) wohnen die zwei in einer sehr netten tenement-Wohnung auf der Southside (südlich des Clyde)in Pollokshields. Für alle, die nicht wissen, was ein tenement ist:
Das ist das typische Glasgower Mietshaus aus dem 19. Jh, meist drei- oder viergeschossig, mit Sandsteinfassade und einem close (ein Innenhof, den man über die Kellertreppe erreicht). Innen ist je nach Viertel das Treppenhaus bis zur Schulterhöhe entweder gestrichen, gekachelt oder in der Luxusausführung ganz farbig gekachelt. In Pollokshields war es dunkelrot gestrichen und unser close war Garten...
Oben im zweiten Stock links (2/2) gab es dann erstmal zwei Türen (fast wie in den USA): eine dunkelrote riesengroße Außentüre und eine hellbraune kleinere Innentüre mit Glaseinsatz und einem klemmendem Schloss ; ) Wenn man in den Flur mit altem hellem Holzboden kam, so ging es mit einem Schritt geradeaus gleich in ein sehr gemütliches Wohnzimmer, das zartgelb gestrichen war, selbstverständlich über ein mantelpiece (Kaminsims) verfügte (wohin würde man sonst auch all die Geburtstags- und Weihnachtskarten stellen...) und drei sehr hohe Fenster zur Straße hin hatte. Es gab da drin zwei Zweisitzersofas und zwei Stühle am Fenster, alle mit hellem Stoff überzogen, ein Couchtischchen, ein Bänckchen für das Telefon und diverse Truhen und Kistchen für Lämpchen und allerlei Deko. Außerdem einen Fernseher mit Wackelkontakt (der beim Umzug was abbekommen hatte) und einen Berg DVDs und CDs.
Gleich daneben lag links von der Eingangstüre das Zimmer, das ich bewohnte. Es war ziemlich intensiv blau gestrichen, hatte weißen Stuck an der Decke und auch fast über die ganze Straßenfront hohe Fenster (Einfachverglasung wegen Denkmalschutzauflagen - bibber!). Drin standen ein Kingsizebett, ein Kleiderschrank aus Stoff (IKEA?!), ein Stuhl und ein Schreibtisch und dann war da noch so allerlei, was ich neugierig in Augenschein nahm: Gewichte, ein Hometrainer, ein Neoprenanzug... Nein, natürlich störte mich es nicht, dass ich mit diesen Dingen den Raum teilte...
Ganz rechts von der Eingangtüre vergrößerte sich der Flur ein wenig und direkt an der Kommode vorbei ging es zum Zimmer der beiden. Daneben zur Küche hin lag das Bad, das die Reste meiner blauen Farbe abbekommen hatte. Es war sehr schmal, so dass man gerade so an der Badewanne vorbeigehen konnte, aber verfügte über beheizbare Handtuchhalter und hatte ein Waschbecken und eine Toilette, die im Stil von 1924 gehalten waren. Also diese hübschen kurzen Wasserhähne mit den vier Knubbeln, auf denen HOT und COLD geschrieben steht... Die Dusche war dagegen sehr modern: Man musste an einer Schnur an der Decke ziehen (bitte für GB und Irland merken, wenn ihr warmes Wasser haben wollt: ihr müsst nach einer Schnur fahnden!!!) und dann konnte man die Temperatur in 9 Stufen einstellen, den Flow aussuchen und am Ende mit einem piepsenden Stop-Knopf das Wasser abstellen... Ja, ich gebe zu, dass mich das fasziniert hat!!!
So, schließen wir diese Türe und gehen wir abschließend weiter nach links in die Küche. Die Küche, die ich auch haben wollte!!! Nein, im Ernst, eine so schöne und wohnliche Küche, die noch dazu so stylish ist, habe ich noch nie gesehen. Dadurch, dass der Raum ziemlich breit war, konnte man bequem auf beiden Seiten Möbel stellen:
Es gab rechts von der Türe eine lange Anrichte aus hellem Holz mit Füßen, zwischen denen noch mehrere Regalebenen für Geschirr eingezogen waren und die oben vorne drei Schubladen hatte. Obendrauf stand die Mikrowelle und dann waren da meist Blumen und eine Pinnwand voller Zettel. Nach dem Mülleimer kam dann vor dem Fenster der große Esstisch mit zwei Stühlen zum Raum hin und einer Sitzbank im Fenster dahinter. Links vom Fenster versteckten sich der Boiler, die Kochbücher und die Wiskeyflaschen in einer weiteren Anrichte, unter der auch noch die Waschmaschine Platz fand. Dann kamen die Spüle ganz aus Metall, der Herd mit Kochfeld und Backrohr und wieder eine große Anrichte. Darunter waren die Töpfe und das Besteck und darauf der Wasserkocher und die Müsliflocken : ) Obendrüber gab es einen niedlichen Oberschrank mit zwei Fächern, dessen Klappe sich nach oben öffnete und worin man Schätze wie Kaffee, Zucker, Honig usw. fürs Frühstück finden konnte. Zur Wand hin hatte dann genau noch ein gigantischer Kühlschrank mit Gefrierfächern drunter Platz. Daran hingen dann so lustige Kühlschrankmagneten z. B. mit einer Frau, die sagte: Being bitchy and unstable is part of my nature oder mit einem Schokobildchen, worauf stand: When the going gets tough, the tough eat chocolate...
Neben der Küchentüre gab es im Flur noch Platz für einen Wäscheständer, der mehr wie ein Zeitungsständer aussah : ) und dahinter war einer dieser Einbauschränke, aus denen alles herausfällt, wenn man sie öffnet...
So, das also war meine Familie und mein Zuhause für zwei Wochen und ich habe mich einfach nur sehr wohlgefühlt. Zum Rest meines Programmes poste ich demnächst...
Sigrun