2004-05-31

Schottland - Hunters, Modern Art und Abschied

Hallo, lieber Leser am Schirm!
Schön, dass Du auch den letzten Teil meines Reiseberichts hören möchtest! Was bleibt denn noch? Ein erdgeschichtlicher Donnerstag, ein Freitag voller moderner Kunst und ein so herrlich sonniger Samstag – mein Abflugtag... Aber keine Angst, unser Flieger geht erst am Nachmittag, so dass noch genug Zeit für ein Sonnenbad in Maxwell Park bleibt! Ja, und natürlich müssen wir noch in Pollokshields zu dem indischen Händler, damit unser Gewürzvorrat komplett wird ; ) ...
Ich wäre an dem Donnerstag ganz bestimmt nicht im Hunterian Museum gelandet, wenn ich es nicht in der Woche davor bei meiner Suche nach der Hunterian Art Gallery fast irrtümlicherweise betreten hätte. Erinnert Ihr Euch? Ja, richtig, der Geburtshilfepionier und seine Whistler-Frauen, die Toshie-Stühle, der Rembrandt und die Glasgow Boys... Und wenn ihr den vorherigen Post gelesen habt, dann wisst Ihr sicher auch, dass mich die aufgepiksten Flattertierchen und die eingelegten Sonderbarkeiten sowie die Mineralien in den McLennan Galleries sehr fasziniert haben...
Aber keine Bange, heute will ich Euch nicht schon wieder den Appetit verderben, heute ist alles schön versteinert oder es sind nur die guten alten Knochen übrig... und wenn Ihr heute Nacht von Jurassic Park träumt, wisst Ihr, wem Ihr es zu verdanken habt : ) ! Nach einem Besuch bei meinem Imbisswagen und einem Spaziergang mit Futterpause durch Kelvingrove Park gelangte ich zum Gelände der Universität. Was uns hier fehlt, ist so ein schöner markanter Aussichts- und Glockenturm. Eigentlich schade, dass ich die Uni nicht besichtigt habe, aber als ich rein bin, hingen überall Zettel von wegen Prüfungen und nicht stören, so dass ich mich auf Zehenspitzen da durchgeschlichen habe, bis ich schließlich die heiligen Hallen des Museums betrat... Wieder nur ein Mensch am Empfang, der einen weiterwinkt... Und schon war ich mitten drin – in einem großen kirchenartigen Raum mit Holzempore. Einfach toll, so eine Uni mit Geschichte!
Los ging es bei ein paar Bildern vom blauen Planeten und ein paar Erklärungstafeln. Danach kamen Vitrinen mit Gestein, Gestein, Gestein. Ich bin ja geologisch gesehen ein ziemlicher Laie, also habe ich natürlich nach den schönen Steinchen geguckt und dann versucht, über die Nummer die Erklärung zu finden, aber das ist ungefähr so, wie wenn man ein Pflanzenbestimmungsbuch liest, dass einem nur die lateinischen Namen angibt. Ein bisschen allgemein verständlichere Erläuterungen fehlten mir da. Trotzdem fand ich es toll, denn ich liebe Mineralien und wenn es dann auch noch glitzert, bin ich selig... Diamanten gab es auch!
Danach konnte ich meine schulischen Erkundekenntnisse wiederbeleben: Die erdgeschichtlichen Zeitalter und ihre Pflanzen und Tierchen. Und dazu war das die allerbeste Ausstellung, die ich jemals gesehen habe. Wenn Euch das interessiert – unbedingt reingehen, wenn ihr dort seid! Es gab herrliche Versteinerungen und je weiter die Erdgeschichte fortschreitet, desto komplexer und interessanter wird ja auch das Leben auf der Erde: Man denkt ja da immer an so schneckenförmige Ammoniten, aber glaubt mir, da war mehr!!!
Ich habe in den Vitrinen, die im Raum standen und um die man also herrlich herumgehen konnte, Krebschen und skorpionartige Versteinerungen gesehen und zum Teil echt in einer Qualität, dass man ins Schwärmen kommt. Auch kleine Fischchen und so...
Ja, mit fortschreitender Zeit kommen dann auch erste Saurier. Natürlich hatten sie einige schöne Stücke aus Holzmaden (für alle, die nix davon verstehen, dass ist ein Ort in Baden-Würtemberg, wo man viele herrliche komplette Saurierversteinerungen gefunden hat), aber habt ihr schon mal Saurierfußabdrücke gesehen? Es gab gleich ein paar solcher Laufspuren! Natürlich gab es auch versteinerte Eier und was ich auch toll fand, einen Schnitt durch einen Baumstamm, der wie ein Mineral aussah und in vielen verschiedenen Farbtönen leuchtete. Da war ich ziemlich geplättet...
Na, dann kamen die Skelette mit der Bebilderung der Bastelvorgänge daran. Nett! Anschließend menschelte es und es wurde versucht, unsere Entwicklung zu rekonstruierten. Lucy und so... Das war okay, aber ich fand es nicht ganz so beeindruckend – vielleicht wusste ich zu viel drüber. Danach wurde es ethnographisch und es kamen verschiedene Kulturen und einige ihrer Gegenstände, also Eskimos und Naturvölker, aber dann auch Hochkulturen, wobei es sich da sehr auf Ägypter und Römer beschränkte. Das war ein bisschen schade... aber das ist das, was die Briten eben haben. Nach einem Studium der Inschriften vom Antoninuswall (danke, Herr Prof. Wolff, für ihre Hartnäckigkeit – brauchte nur selten in der Erläuterung zu spicken!) und einer Betrachtung der ägyptischen Gottheiten (wo ich, dank der Vorkenntnisse aus der Burrell Collection einige Aha-Erlebnisse hatte!) war ich also fertig. Gut zwei Stunden, aber das ist die ideale Zeit, die ich in einer Ausstellung zu verbringen gedenke...
Wusstet ihr, dass die Ägypter die einzelnen Organe aus ihren Toten entnahmen, bevor sie sie in Mumien verwandelten und dass die diese in bestimmte Behältnisse legten, die quasi als Deckel den Kopf einer bestimmten Gottheit trugen, damit diese über sie wachte? Alles hatte seine Ordnung und sein Plätzchen. Diese sogenannten Kanopen sind echt sehenswert...
So, den Rest des Tages verbrachte ich – glaube ich – mit einer Tour zum Secret Garden. Nagelt mich nicht fest, denn irgendwie weiß ich nicht mehr sicher, an welchem Tag ich da war. Wenn man in Hillhead in die Subway steigt, kann man auf der Southside in Bridge Street wieder ans Tageslicht kommen. Das ist nahe der berühmt-berüchtigten Gorbals, einem ehemaligen Arbeiterslum, der aber zum Glück seine wildesten Zeiten hinter sich hat! Wenn man dann in irgendeinen Bus stadtauswärts steigt, gelangt man nach einer Weile (vorbei an diversem Gewerbegebiet – Werkstätten und so – etwas trist) an den Beginn von Pollokshields und dort ist The Tramway. Das ist heute ein Theater, aber früher war es ein Straßenbahndepot... ja, es tut sich was in Glasgows Kulturszene!
Hinter der Halle des Theaters ist seit etwas über einem Jahr ein angelegter Garten, der fleißig wächst und gedeiht. Das Konzept ist sehr ansprechend, mit etwas verschlungenen Wegen, Wasserbecken, halbhohen Beeten mit Lavendel so weit das Auge reicht, Birkenwäldchen und es gibt Extras wie einen Holzpavillion auf einem Hügelchen, wo ein Xylophon aus verschieden Hölzern und ähnliches installiert sind. Wie gesagt, der Garten ist noch im Aufbau, aber ich glaube, dass das in einigen Jahren ein echtes Paradies sein wird!
Nach einer Stunde in der Natur bin ich über die S-Bahn-Brücke mitten in das kleine Zentrum von Pollokshields. Ich meine, ich weiß ja, dass in GB viel indischstämmige Bevölkerung ansässig ist, aber da hat mich dann schon ein bisschen der Schlag getroffen... denn da waren irgendwie keine Briten mehr - echt ein Ghetto... indische Lebensmittelhändler, indischer Videoverleih, indische Stoffe, indischer Hochzeitsservice, indische Süßwarenläden... und haufenweise Damen in Saris unterwegs...
Aber so bin ich dann zu meiner Erstausstattung an Gewürzen gekommen. Bin ja gewohnt, dass Briten sich für alles entschuldigen, nur war das der erste Laden, wo man sich dafür entschuldigt hat, dass die Lieferung noch nicht ausgepackt war, und mir half, hinter der Kartons die richtigen Sachen aus dem Regal zu angeln... Sollte man in Niederbayern mal einführen ; )
Ja, der Freitag war ein chaotischer Tag voller letzter Besorgungen und eigentlich war ich mir nicht sicher, ob ich überhaupt noch was besichtigen sollte, denn ich hatte ja einiges gesehen... aber weil die Gallery of Modern Art ebenfalls kostenlos ist, beschloss ich, dass ich doch zumindest mal reinschauen sollte. Die verbleibenden Toshie-Museen hatten nämlich gesalzene Eintrittspreise und ich hatte ja vieles durch die Bildschirmchen in The Lighthouse schon virtuell erkundet...
Der Royal Exchange Square liegt schon in der Merchant City, dem neueren Weggehviertel, und natürlich hat die gute Statue des Duke of Wellington, der dort auf seinem Lieblingspferd namens Copenhagen trohnt, da auch ein bisschen drunter zu leiden: Es scheint ein Glasgower Volkssport zu sein, dem guten Mann so ein gestreiftes Absperrungshütchen auf den Kopf zu setzen. Und der Schädel ist verdammt hoch – ohne Seil geht da nix!!!
Na, gut behütet wachte er jedenfalls über die modernen Kunstschätze, die ich erkunden wollte. Tja, was kann ich Euch erzählen? Es waren interessante Werke dabei, aber da ich nichts von moderner Kunst verstehen, erkannte ich nur die Dosensuppe von Andy Warhol... Der Rest gefiel mir zum Teil, zum Teil fand ich ihn affenscheußlich oder einfach nur abstoßend, aber das ist ja immer so eine Geschmackssache. Es waren auch Werke dabei, bei denen Photographie mit im Spiel war und die gefielen mir recht gut. Natürlich landete ich am Ende im Andenkenladen, in dem ich mich nur schwer entscheiden konnte...
So also war das mit der Moderne ; ) ...
Mein Samstag war gekommen und das Wetter war toll – nur ich musste am Nachmittag zurückfliegen. Da tat es mir schon besonders leid, denn das hätte ich gerne noch mehr genossen. Nach einem großen Frühstück mit Heather – Howard ging bald ins Büro – spazierte ich nochmal durch die Villenstraßen nach Maxwell Park, drehte eine Runde um den Ententeich (ein sehr netter Ententeich mit viel Schilf übrigens!) und suchte mir dann eine sehr sonnige Bank mitten in einer großen Wiese... Rund herum spielte ein Papa mit seinem Sohn Fußball, ein paar Kinder fuhren mit Scootern und ältere Paare sahen den Enten beim Schwimmen zu. Idyllisch eben.
Mein abschließender Weg führte mich nochmal nach „Kleinindien“, wo ich meine letzten Münzen in mir noch fehlende Gewürze und in Haferkekse für meine Familie umsetzte. Zuhause gab es dann noch ein schönes dickes Sandwich, bevor Heather mich zum Flughafen fuhr... natürlich nicht ohne dass ich fast auf der falschen Seite eingestiegen wäre (nach zwei Wochen Bus und Bahn zu entschuldigen ; ) und dass wir in einen Stau wegen eines Rangers-Fußballspiels gerieten...
Ja, so also war das. Leute, ich glaube, ich brauche ganz schnell ein Taschentuch... Was poste ich Euch denn beim nächsten Mal? Ich sehe schon, ich muss bald wieder verreisen : )
Es grüßt Euch alle
Eure Sigrun


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