2004-05-18

Schottlanderinnerungen - Gastfamilie und -tenement

Hallo meine Lieben!
Hier kommt noch ein kleiner Nachbericht meiner Schottlandreise, auch deshalb weil es diesmal keine vorzeigbaren Fotos gibt. Schlau wie ich bin, habe ich meine Kamera in Passau gelassen und musste mir dann ein knallrosa Plastikding in Glasgow kaufen (Buchanan Street Shopping Galleries - first place for serious shopping ;) - bei dem ich natürlich den Film erstmal nicht einlegen konnte. Es gibt also nur von Samstag, Sonntag und Montag in der Mitte meines Aufenthalts einige ungleichmäßig scharfe und braunstichige Bildchen... jammerschade!
Meine Gastfamilie muss ich mal genauer vorstellen:
Heather, 38, arbeitet für die Royal Deaf Society in Edinburgh (hauptsächlich daran, Architektur nicht nur schön, sondern auch für alte Leute, Behinderte und Mamis mit Kinderwägen benutzbar zu gestalten!). Sie ist mittelgroß und schlank, hat lange dunkelbraune Haare mit Ponyfransen und eine Brille - und eine umwerfende Ausstrahlung. Seit einer Meningitiserkrankung ist sie praktisch völlig taub, aber sie liest wie eine Meisterin von den Lippen. Zusätzlich hilft sie sich mit den Untertiteln im Fernsehen und einem Spezialtelefon mit Textfunktion. Ein wundervoller Mensch!!!
Howard, 40 (glaube ich), hat sich letzten Sommer mit einem kleinen Marketing- und Designbüro in der Glasgower Innenstadt zusammen mit einem Partner selbständig gemacht. Er hat einen Marketing B.A. - sie hat auch einen B.A., aber keine Ahnung worin. Er ist blond, ziemlich groß und ein (bären)starker Kerl.
Nächstes Jahr wollen die beiden heiraten - ich hätte solche Lust, dann wieder hinzufliegen... Momentan (seit Herbst) wohnen die zwei in einer sehr netten tenement-Wohnung auf der Southside (südlich des Clyde)in Pollokshields. Für alle, die nicht wissen, was ein tenement ist:
Das ist das typische Glasgower Mietshaus aus dem 19. Jh, meist drei- oder viergeschossig, mit Sandsteinfassade und einem close (ein Innenhof, den man über die Kellertreppe erreicht). Innen ist je nach Viertel das Treppenhaus bis zur Schulterhöhe entweder gestrichen, gekachelt oder in der Luxusausführung ganz farbig gekachelt. In Pollokshields war es dunkelrot gestrichen und unser close war Garten...
Oben im zweiten Stock links (2/2) gab es dann erstmal zwei Türen (fast wie in den USA): eine dunkelrote riesengroße Außentüre und eine hellbraune kleinere Innentüre mit Glaseinsatz und einem klemmendem Schloss ; ) Wenn man in den Flur mit altem hellem Holzboden kam, so ging es mit einem Schritt geradeaus gleich in ein sehr gemütliches Wohnzimmer, das zartgelb gestrichen war, selbstverständlich über ein mantelpiece (Kaminsims) verfügte (wohin würde man sonst auch all die Geburtstags- und Weihnachtskarten stellen...) und drei sehr hohe Fenster zur Straße hin hatte. Es gab da drin zwei Zweisitzersofas und zwei Stühle am Fenster, alle mit hellem Stoff überzogen, ein Couchtischchen, ein Bänckchen für das Telefon und diverse Truhen und Kistchen für Lämpchen und allerlei Deko. Außerdem einen Fernseher mit Wackelkontakt (der beim Umzug was abbekommen hatte) und einen Berg DVDs und CDs.
Gleich daneben lag links von der Eingangstüre das Zimmer, das ich bewohnte. Es war ziemlich intensiv blau gestrichen, hatte weißen Stuck an der Decke und auch fast über die ganze Straßenfront hohe Fenster (Einfachverglasung wegen Denkmalschutzauflagen - bibber!). Drin standen ein Kingsizebett, ein Kleiderschrank aus Stoff (IKEA?!), ein Stuhl und ein Schreibtisch und dann war da noch so allerlei, was ich neugierig in Augenschein nahm: Gewichte, ein Hometrainer, ein Neoprenanzug... Nein, natürlich störte mich es nicht, dass ich mit diesen Dingen den Raum teilte...
Ganz rechts von der Eingangtüre vergrößerte sich der Flur ein wenig und direkt an der Kommode vorbei ging es zum Zimmer der beiden. Daneben zur Küche hin lag das Bad, das die Reste meiner blauen Farbe abbekommen hatte. Es war sehr schmal, so dass man gerade so an der Badewanne vorbeigehen konnte, aber verfügte über beheizbare Handtuchhalter und hatte ein Waschbecken und eine Toilette, die im Stil von 1924 gehalten waren. Also diese hübschen kurzen Wasserhähne mit den vier Knubbeln, auf denen HOT und COLD geschrieben steht... Die Dusche war dagegen sehr modern: Man musste an einer Schnur an der Decke ziehen (bitte für GB und Irland merken, wenn ihr warmes Wasser haben wollt: ihr müsst nach einer Schnur fahnden!!!) und dann konnte man die Temperatur in 9 Stufen einstellen, den Flow aussuchen und am Ende mit einem piepsenden Stop-Knopf das Wasser abstellen... Ja, ich gebe zu, dass mich das fasziniert hat!!!
So, schließen wir diese Türe und gehen wir abschließend weiter nach links in die Küche. Die Küche, die ich auch haben wollte!!! Nein, im Ernst, eine so schöne und wohnliche Küche, die noch dazu so stylish ist, habe ich noch nie gesehen. Dadurch, dass der Raum ziemlich breit war, konnte man bequem auf beiden Seiten Möbel stellen:
Es gab rechts von der Türe eine lange Anrichte aus hellem Holz mit Füßen, zwischen denen noch mehrere Regalebenen für Geschirr eingezogen waren und die oben vorne drei Schubladen hatte. Obendrauf stand die Mikrowelle und dann waren da meist Blumen und eine Pinnwand voller Zettel. Nach dem Mülleimer kam dann vor dem Fenster der große Esstisch mit zwei Stühlen zum Raum hin und einer Sitzbank im Fenster dahinter. Links vom Fenster versteckten sich der Boiler, die Kochbücher und die Wiskeyflaschen in einer weiteren Anrichte, unter der auch noch die Waschmaschine Platz fand. Dann kamen die Spüle ganz aus Metall, der Herd mit Kochfeld und Backrohr und wieder eine große Anrichte. Darunter waren die Töpfe und das Besteck und darauf der Wasserkocher und die Müsliflocken : ) Obendrüber gab es einen niedlichen Oberschrank mit zwei Fächern, dessen Klappe sich nach oben öffnete und worin man Schätze wie Kaffee, Zucker, Honig usw. fürs Frühstück finden konnte. Zur Wand hin hatte dann genau noch ein gigantischer Kühlschrank mit Gefrierfächern drunter Platz. Daran hingen dann so lustige Kühlschrankmagneten z. B. mit einer Frau, die sagte: Being bitchy and unstable is part of my nature oder mit einem Schokobildchen, worauf stand: When the going gets tough, the tough eat chocolate...
Neben der Küchentüre gab es im Flur noch Platz für einen Wäscheständer, der mehr wie ein Zeitungsständer aussah : ) und dahinter war einer dieser Einbauschränke, aus denen alles herausfällt, wenn man sie öffnet...
So, das also war meine Familie und mein Zuhause für zwei Wochen und ich habe mich einfach nur sehr wohlgefühlt. Zum Rest meines Programmes poste ich demnächst...
Sigrun


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