2004-05-29

Schottland - Provand's Lordship, McLennan und so

So, hallo meine Lieben!
Jetzt kommt der Beginn der zweiten Schottlandwoche und schon geht es durcheinander wie Kraut und Rüben... Meine Aufzeichnungen haben da nämlich ein paar Schwächen, aber das älteste Haus Glasgows und die McLennan Art Galleries wollte ich Euch trotzdem nicht vorenthalten...
Mein Montag bestand hauptsächlich darin, die wichtigsten und schönsten Plätze der vergangenen Woche nochmal auf Film zu bannen. Also bin ich ein zweites Mal zur Kathedrale und dann bei herrlichstem Sonnenschein in der Necropolis herumspaziert. Es war schon ein bisschen ausgestorben da drin, dafür dass so schönes Wetter war. Mädels, wenn ihr jemals dorthin kommen solltet – geht da nicht ganz allein herum... Nein, nicht wegen all der armen Verstorbenen – vor denen braucht sich keiner mehr zu fürchten, schon eher wegen der Lebenden! Das nette ältere Ehepaar, das meinte, ob ich keine Angst hätte und hier so allein rumlaufen wollte, weil der untere Teil doch so ausgestorben ; ) sei, traf ich natürlich erst danach... Ich sage nur, der Park in Athen, Eva – warum sehe immer ich diese Typen??? Zum Glück war er relativ weit von mir weg, aber so ganz wohl war es mir danach nicht mehr bei meinem Fotorundgang...
Doch wenden wir uns lieber angenehmeren Dingen zu: Provand’s Lordship zum Beispiel. Das war so ein bisschen meine kleine Entschuldigung, um nochmal den Weg bis hinaus zur Kathedrale anzutreten (für alle Ortsunkundigen: ich wohnte ein Stück südlich des Stadtzentrums und unser rotes Fähnchen befindet sich nun gerade deutlich nordöstlich der Stadtmitte : ). Das älteste Haus Glasgows hatte ich beim ersten Besuch nicht mehr geschafft, da um 17 Uhr (ja, leider, leider) alle Museen schließen. Man ist sofort mitten im Mittelalter, wenn man durch die niedrige Tür das Gebäude betritt. Es gibt offene Feuerstellen mit Kamin, Holztruhen und Stühle und kleine Fensterchen. Unten drei Räume, eine enge Stiege und zwei Obergeschosse, die auch nicht viel größer sind. Zum Teil sind Bilder ausgestellt und ein Zimmer ist als lebensnahe Rekonstruktion mit Stoffen, Puppe und Musikuntermalung als das Quartier eines gelehrten Kirchenmannes ausgestaltet. Dort traf ich mal wieder einen waschechten Glaswegian (nicht die Puppe ; ), der mir vorschwärmte, wie toll das alte Haus sei. Er war zum ersten Mal drin und kaum zu Halten vor Begeisterung. Dank meiner vorhergegangenen eingehenden Beschäftigung mit der einschlägigen Literatur ; ) konnte ich auch fast alles erraten, was er mir dann über die Geschichte des Hauses und seiner Umgebung in breitestem Patter erzählte. Ja, Provand’s Lordship ist aus dem 15. Jh und der einzige weltliche Teil des mittelalterlichen Stadtkerns, der überlebt hat. Es gehörte verschiedenen Leuten, darunter einem Schneider und einem Brauer und in der viktorianischen Zeit befand sich sogar eine Kneipe darin...
So, dann stattete ich dem Botanischen Garten noch einmal einen Besuch ab. Er war angesichts des schönen Tages voller Leute, insbesondere voller Studis. Aber erzählen wollte ich Euch eigentlich von dem Eisverkäufer vor dem Eingang. Was mache ich, wenn er in seinem kunterbunten VW laut genug hupt? Na logisch, ich probiere das britische Eis! Der Name: single nougat, das Eis: eine dicke, flache Waffel mit Schaumfüllung unten, eine Kugel Vanilleeis mit Erdbeersoße in der Mitte und eine schokoladenüberzogene flache Waffel mit Schaumfüllung unten drunter... mmmmmmmmmhhhh! Na, habt ihr Lust bekommen ; ) ?
Ja, was gab es abends: Chicken Korma. Indisch also. Und es schmeckte herrlich nach Kokos und war so cremig... Schuldbewusster Blick von Heather am nächsten Tag, als ich sie um das Rezept bat: „I cheated,“ sagte sie und hielt ein ausgespültes Glas mit einem blauen Aufkleber hoch. „I ran out of time.“ Tja, so war das mit dem Korma... Aber ich glaube, mein enttäuschtes Gesicht muss ihr so leid getan haben, dass sie danach ihre Vorräte durchforstete und mir zeigte, was so eine Grundausstattung zum Indisch kochen alles beinhaltet. Gewürze hauptsächlich, die man anbrät, bevor es an den Rest geht. Ja, und Kokoscreme im Block...
Für den Dienstag wollte ich mir wieder ein klein bisschen Luxus gönnen und testete ein Mittagsangebot bei einem Chinesen in der Sauchiehall Street. Es war erschwinglich, also 7 Pfund (gut 10 Euro) mit einer großen Cola gegen mein Schlafdefizit aufgrund diverser DVDs und des umwerfenden britischen Fernsehprogramms. Das Buffet, an dem ich mich bedienen durfte, war sehr umfangreich. Suppen, Soßen, Nudelgerichte, Fleischgerichte, Ente, Gemüse, Bananenbällchen, Shrimps, Reis, Nachspeisen... Ich bin nach dem dritten Nachschlag also irgendwie rausgerollt und weiter in die McLennan Art Galleries.
Da die riesigen Kelvingrove Art Galleries gerade noch ein wenig größer und schöner werden, ist ein Teil der Werke dort vorübergehend dort ausgestellt. Ich muss sagen, dass ich ein bisschen erschlagen war, von den Werken, wahrscheinlich auch dem Essen und von der Lautstärke, mit der sich eine Bande englischer Pensionistinnen da drin amüsierte – nicht über die Gemälde, ganz offensichtlich.
Vor dem Eingang oben ist ein kleiner (d.h. so groß wie ich – Relativitätstheorie!) Elefant (ach so!) ausgestellt, aber ich weiß gerade nicht mehr, was seine Geschichte war. Ein ausgestopfter Elefant ist mir allerdings noch nie zuvor begegnet, deshalb war ich ganz entzückt. Plus Kindchenschema und so. Wissen wir ja alle. Aber süß war er trotzdem!
Drinnen gab es zuerst eine Menge Kunst und Design aus dem Glasgow Style (Toshie und Zeitgenossen, also viel Jugendstil) zu sehen. Die hübschen Möbel haben mir sehr gefallen. Dann kamen die Gemälde: interessant fand ich all die Stilleben, vor allem die der holländischen Maler und ich habe auch einiges darüber aus den Erklärungen gelernt. Wer welche Früchte und Tischdecken und welche Arrangements bevorzugt hat... Klingt erstmal albern, aber wenn man es live überprüfen kann, hat es was. Es gab auch eher religiöse Werke und etwas modernere Bilder, aber mit vorticism, Kubismus und dergleichem kann ich nicht immer so viel anfangen...
Am Schluss gab es auch noch einen Saal mit diversen Vitrinen, wo vom aufgespießtem Schmetterling über eingelegte Tierchen (brrr!), Schmuck und Waffen so ziemlich alles zu finden war. Ein echtes Raritätenkabinett, so wie das Museum eben begann... Das gefiel mir ziemlich gut, eben weil es so gemischt war und doch überschaubar.
Nach den über zwei Stunden Kunst verbrachte ich noch ein bisschen Zeit mit dem Bummel durch ein paar Läden. Dann ging es heim nach Pollokshields, wo Howard Haggis für mich kochte. Naja, nicht ganz so übel, aber auch nicht gerade mein Lieblingsessen. Zur Erklärung: Ein gigantischer Klecks Clapshot: Kartoffel-Steckrüben-Püree (ohwei) und ein gigantischer Klecks Schafinnereien (nicht drüber nachdenken). Ich glaube, ich bleibe dann doch lieber im Chinarestaurant, zumindest solange es nicht Hund oder Schlange gibt...
Mein Mittwoch war der Recherche gewidmet. Nachdem ich bei meinen Telefonaten aus Telefonzellen in der prallen Sonne am Montag fast verbrutzelt war, zog ich mich nun wieder in die kühlen Hallen der Mitchell Library zurück. Hatte ein lustiges Erlebnis mit dem sympathischen jungen Herrn hinter der Theke des bibliothekseigenen Cafés, denn von seinem breitesten Dialekt verstand ich nur die Hälfte, so dass ich dachte, er wolle mir noch was extra verkaufen, als er nur wissen wollte, welchen Tee ich denn nun haben wolle. Mein recht energisches NO entsetzte ihn etwas, und als er dann ganz vorsichtig fragte: „Tea did you say?“ war ich auch schon wieder Herrin der Lage. Ich glaube, er fand mich sehr unhöflich ; ) , bis er dann doch irgendwie gecheckt hat, dass ich einfach nur jedes zweite Wort nicht verstehe... Jedenfalls hat er mir beim Rausgehen sehr nett tschüß gesagt. Vielleicht war das aber doch nur deshalb, weil die Hälfte meiner ersten Tasse auf meiner Untertasse gelandet war...
Ja, und dann hatten wir noch einmal mindestens so gute Nudeln wie in der Woche davor. Diesmal waren Pilze in der Soße, mmmhhhhh! Gut, dass Heather zurück aus Manchester war ; ) – das sie im übrigen gar nicht mag... Na, das Meeting schien jedenfalls okay gewesen zu sein. Als wir an ihrem Geburtstag in der Merchant City unterwegs waren, fand ich ihre Anekdote so witzig, in der sie vom Edinburgh Conference Center erzählte. In dem schlauen Hightechsaal ist die Wand, wo die Powerpoint erscheint, so komisch hinter einer Kante, dass der Redner sie nicht direkt sehen kann. Doch, simsalabim, natürlich hat man mitgedacht und da einen kleinen Schirm am Pult installiert, wo man das Bild auch sehen kann – naja, außer man hat seine Lesebrille auf seinem Platz abgelegt ; ) Das war ihr Kommentar dazu, dass man später sagte, ihr Vortrag sei so witzig gewesen und so viel besser als der ihrer Vorredner... es lebe die Improvisation!
So, das letzte Stückchen der Reise bleibt noch für das nächste Mal! Ertragt ihr noch ein bisschen Kunst und Kultur – heißt Sauriermodelle und Warholsche Dosensuppen???
Na, ich hoffe doch! Dann bis zum nächsten Mal!
Sigrun

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